Frau Professorin Anush Yeghiazaryan stellte die Wandteppiche als eigenständigen Kunstzweig sowie ihre Merkmale und Ursprünge vor und zeigte dem Publikum eine Reihe von Wandteppicharbeiten, sowohl ihre eigenen Kreationen als auch die ihres Vaters.
"Liebe Gäste, es ist mir eine große Ehre, Armenien hier zu vertreten. Im Bereich der dekorativen Kunst und insbesondere der Gobelinkunst möchte ich den deutschen Forscher und Kunstkritiker Volkmar Ganzhorn erwähnen, der nachwies, dass der älteste Teppich der Welt von Armeniern gewebt wurde. Wandteppiche gelangten im 12. Jahrhundert durch die Kreuzzüge nach Europa. Heute befindet sich der älteste Gobelin Europas in der Kirche von Halberstadt. Mein Vater, Karapet Yeghiazaryan, hat diese Kunst nach fast sieben Jahrhunderten in Armenien wiederaufleben lassen. „Leider wiegen die großen, voluminösen und luxuriösen Werke tonnenschwer und konnten nicht zur Ausstellung gebracht werden“, sagte Frau Yeghiazaryan in ihrer Rede und widmete abschließend das von ihr verfasste Buch über die Werke ihres Vaters dem Bürgermeister, Herrn Martin Schaefer.
Zur Anmerkung:
Die Armenier haben eine lange Diaspora-Tradition. Traditionsgemäß haben armenische Künstler erst nach der Anerkennung durch Kunstliebhaber:innen außerhalb der Gemeinden Interesse und gewisse Unterstützung durch eigene Landsleute erfahren. Das Prinzip der individuellen Ausrichtung und Behauptung im Kulturleben und auf dem freien Markt ist ein wichtiger Grundstein der modernen westlichen Kunstauffassung. Die Armenier haben ein starkes Traditionsbewusstsein, bleiben aber stets offen für Erneuerungen. Selbst die Annahme des Christentums im Jahr 301 als Staatsreligion wird von vielen Künstlern als Avantgarde-Akt proklamiert, der dem Volk langes Überleben trotz widriger Umstände sicherte.
Die Deutsch-Armenischen Kulturtage in Berlin haben in neun Jahren der Ausstellungspräsentationen verschiedene Modelle des Kuratierens und der Ausstellungsgestaltung ausprobiert. Neben Einzelausstellungen anerkannter Künstler:innen gab es Gruppenausstellungen, die Kunstmalerei wurde mit Fotografie und Objektkunst begleitet. Neben Werken von Meistern, die in Museen aufbewahrt werden, haben wir auch eine Plattform für jüngere Kunstschaffende angeboten. Neben der Ausstellungsorganisation in Form eines Gemeindezentrums mit Kunstwerken und Reiseplakaten als Dekoration an den Wänden und Kirchenmodellen auf den Podesten gab es aufwendig recherchierte Überblicke über die neuesten Kunsttendenzen im globalen Vergleich.
Die Ausstellungen wurden nicht nur in Berlin besucht und in den armenischen und deutschen Medien thematisiert, sondern regelmäßig auch in wichtigen Diaspora-Zeitschriften und Zeitungen von Prag bis Boston beleuchtet. Berlin ist allmählich zu einem der wichtigsten Kulturzentren der Armenier aufgestiegen.
Dennoch bleibt auch heute die Vernetzung einzelner Künstler:innen und Gruppen ein Grundprinzip zukunftsgerichteter kultureller Stabilität. Zahlreiche Intellektuelle, Musiker und bildende Künstler haben in Deutschland studiert oder gewirkt. Für einige stellte sich keine Frage nach der nationalen Identität, manche versuchten, diese ganz abzulegen und im globalen Kontext aufzugehen, während andere sich erst durch künstlerische Auseinandersetzungen zum Armenien-Tum bekannten. Kulturelle und nationale Identität soll sich auch durch ständigen Wandel und erneuerte Fragestellungen lebendig halten.
Bei der Jubiläums-Ausstellung im Kulturhaus Karlshorst präsentieren wir in Kooperation mit dem Projekt-Raum InteriorDAsein, der seit 2008 zahlreiche Ausstellungen, Seminare und Festveranstaltungen organisiert hat und eine reiche Sammlung armenischstämmiger Künstler:innen besitzt, sowohl einen Rückblick auf vergangene Arbeiten als auch zukunftsgerichtete Rückblicke auf in Deutschland arbeitende Künstler:innen.
Visuell werden die Kunstwerke von eingeladenen Künstler:innen aus München, Berlin, Dresden, Hamburg und Jerewan (Gobelin von der Künstlerin Anush Yeghiazaryan), die noch nicht bei den Kulturtagen ausgestellt waren und deren Werke traditionell auf den Wänden Platz finden, präsentiert. Eine Publikation in Form eines gebilderten Buchs lag zur Ausstellungseröffnung ebenfalls bei.
Damit wird nicht nur auf das Interesse am stattfindenden Kulturleben der Armenier in Deutschland hingewiesen, sondern auch zur Vernetzung der Einzelnen in einer Dialogarbeit und strategisch ausgerichtetem Zusammenspiel appelliert.