Frau Bundeskanzlerin
Dr. Angela Merkel
Bundeskanzleramt
Willy-Brandt-Straße 1
10557 Berlin
Berlin, 30. November 2020
Humanitäre Notlage in Bergkarabach und Armenien
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
der am 27. September 2020 wiederausgebrochene Krieg in Bergkarabach hat mehrere tausend Opfer, Verletzte und Verwundete auf armenischer Seite gefordert. Darüber hinaus sind über 100.000 Menschen aus Bergkarabach ohne Wohnung geblieben, weil sie ihre Dörfer und Gemeinden nach Armenien verlassen mussten.
Deutschland hat das Internationale Rote Kreuz in der Region zwar mit zwei Millionen Euro unterstützt, um die Bedürftigen vor Ort mit Mahlzeiten oder Decken sowie die lokalen Krankenhäuser mit medizinischen Gütern zu versorgen. Diese Hilfe ist auch begrüßenswert. Sie reicht jedoch in Bezug auf die vorgenannten Maßnahmen nicht aus, um die bereits eingetretene humanitäre Katastrophe auch nur annähernd zu lindern.
Mit der Resolution vom 24.11.2020 über die "Unterstützung der Entwicklung einer langfristigen Friedenslösung in Bergkarabach" (Drucksache 19/24646) fordert der Deutsche Bundestag die Bundesregierung unter anderem auf, den Zugang humanitärer Organisationen wie dem Roten Kreuz oder dem Roten Halbmond nach Bergkarabach einzufordern, diplomatisch zu begleiten und weiterhin für eine schnelle und angemessene Nothilfe Sorge zu tragen.
Unter Berücksichtigung der vorliegenden humanitären Umstände in Bergkarabach und Armenien wäre eine schnelle und angemessene Hilfe indes nur möglich, wenn eine finanzielle Unterstützung von mindestens zehn Millionen Euro zur Verfügung gestellt würde.
Hunderte Häuser und wichtige Infrastruktur wie Spitäler und Schulen wurden von schwerem Artilleriefeuer bzw. bei Luftangriffen, unter anderem mit Raketen, zerstört oder beschädigt. Andere Infrastruktur wie Strassen, Strom- und Gasversorgung sowie Kommunikationsnetzwerke wurden ebenfalls beschädigt. Es wurden zahlreiche zivile Verwundete und Tote gemeldet.
Zudem hat sich die humanitäre Situation für viele Menschen aufgrund des bevorstehenden Winters rasch verschlechtert: Für diejenigen, die in ihren Kellern gefangen sind. Für diejenigen auf der Flucht. Für ältere Menschen ohne Zugang zu angemessener Gesundheitsversorgung und Kinder ohne Zugang zu Bildung. Für alle. Der kriegerische Konflikt hat auch die anstehende Ernte bereits beeinträchtigt. Geringere Ernteerträge vergrößern automatisch den Mangel und den Hunger bei den Menschen in Bergkarabach und Armenien.
Berg-Karabach ist nicht der einzige nicht anerkannte de-facto-Staat in der europäischen Nachbarschaft: Südossetien, Abchasien, Transnistrien und Nordzypern teilen sich diese Merkmale und erhalten alle signifikante Unterstützung.
Wir wenden uns an Sie als Kanzlerin, um in solch einem solchen Moment den zivilen Bevölkerungen in Bergkarabach und Armenien die notwendige Unterstützung zu gewähren. Die folgenden Maßnahmen weisen aus unserer Sicht Wege aus der derzeitigen humanitären Katastrophe, für die die von der Bundesregierung zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel verwendet werden könnten:
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, Deutschland kommt im Hinblick auf die Folgen des Genozids an den Armeniern eine besondere Rolle zu, die mit der Völkermordresolution vom 2. Juni 2016 noch einmal klargestellt wurde. Die schweren Folgen der heutigen Bergkarabach-Krise, die auch auf die direkte Einmischung der Türkei zurückgeht, ist die größte humanitäre Katastrophe seit dem Völkermord von 1915 in Armenien. Wir bitten Sie daher, der historischen Verantwortung Deutschlands gerecht zu werden und dem Krisengebiet eine angemessene Unterstützung zu gewähren.
Für weitere Fragen stehen wir Ihnen zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
gez. gez.
Prof. Dr. Martin Pätzold Mikayel Minasyan
- Ehrenmitglied - - 1. Vorsitzender -
Verweis: Siehe die Rückmeldung vom Kanzleramt in der Galerie rechts oben